Die Einheit der Kirche im Sturm der Zeit

  In einer aufgeregten Situation, in der es bei vielen grotesken Diskussionen über die Einheit der "katholische Kirche" kaum mehr um Wahrheit, sondern um Stimmungsmache gegen den katholischen Glauben in seiner apostolisch überlieferten Form geht, erscheint es geboten, sich einen klaren und vorurteilsfreien Blick zu bewahren, was nur in der Bemühung um eine wirklich übernatürlich Sicht der Kirche angemessen gelingen kann.
"Ich glaube an die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche." Wenn ein Christ diese Worte des Glaubensbekenntnisses spricht, glaubt er nicht an eine Kirche, die Menschenwerk ist. Er glaubt an die eine und einzige Kirche, weil sie die Kirche Gottes ist, die Kirche, die Jesus Christus selbst mit Seinem heiligen Blut erkauft und geheiligt hat.
Keine andere Religionsgemeinschaft kennt diese tiefe und heilige Einheit in Gott und diese Sendung zur Heiligung und zur Heiligkeit, die nicht aus menschlicher Kraft, sondern durch Gottes Gnade und Liebe den Menschen angeboten und anvertraut worden ist. An die Kirche glauben wir, weil wir an Jesus Christus glauben, der in Seiner Kirche wirkt und lebt und dessen Heiligkeit und Herrlichkeit deshalb auch im Leben der Kirche sichtbar und erfahrbar bleibt.
Jesus Christus ruft Seine Kirche und sie folgt im auf dem Weg des Kreuzes zur ewigen Auferstehung! Der liebe Gott schenkt uns nicht nur das ewige Leben in Seiner Gnade, er gibt uns auch hier auf Erden schon Anteil an Seiner Liebe. Und diese Seine Liebe, die uns mit dem Glauben und der Hoffnung durch Jesus Christus geschenkt wird, offenbart sich schon hier auf Erden in der Gemeinschaft mit Gott in Seiner Kirche!
Jesus Christus eint Seine Kirche in Seiner Liebe, Er heiligt Sie, indem Er jedem einzelnen Glied Seinen heiligmachenden, Heiligen Geist eingießt und in der Kirche durch Seine heiligen Sakramente und Sein heiliges Opfer weiter unter uns wirkt und bei uns bleibt. Und nur deshalb, weil Er selbst die Kirche gegründet hat und ihr eigentliches Haupt und ihr Herr ist, kann die Kirche auch wirklich katholisch, allumfassend, im Sinne der von ihr verkündeten, über alle Zeiten gleich bleibenden, Wahrheit und im Sinne ihrer alle Menschen betreffenden Sendung sein! Nur in Ihm, in Seiner Liebe, bleibt sie auch wahrhaft apostolisch, dem Erbe Seiner den Aposteln anvertrauten Sendung ehrfürchtig treu!
Diese übernatürliche Sicht ist wichtig, um auch die gnadenhafte Wirklichkeit der Kirche in einer Situation zu erfassen, in der die Kirche sich scheinbar in höchster Verwirrung befindet.
Es ist klar, Glied und - erst recht - Hirt in der Kirche kann man nur in der Treue zu Christus sein. Die wahre Kirche Christi lebt aus der Liebe Christi. Diese Liebe befähigt die Kirche zur Treue, zum wahren Glauben und zur wahren Hoffnung und damit auch zu wahrer, übernatürlicher Gemeinschaft.
"Sie hielten fest an der Lehre der Apostel und an der Gemeinschaft, am Brotbrechen und am Gebet", heißt es von den ersten Christen (Apg. 2,42), und daran erkennt man die wahren Glieder der Kirche noch heute: Aus der Treue zu Christus, zur apostolischen Lehre und zur apostolischen Liturgie wächst und erbaut sich die übernatürliche Gemeinschaft der Kirche. Deshalb ist die Betonung dieser Treue und das Leben aus ihr so wichtig, besonders in Zeiten der Krise.
Mit Bedauern, ja mit Entsetzen, müssen heute die Katholiken erleben, wie diese Treue zu Christus einer merkwürdigen Unterwürfigkeit gegenüber oberflächlichen Forderungen des Zeitgeistes und der Medien geopfert wird.
Plötzlich sprechen sich Bischöfe und Theologen, die selbst bei größten Vergehen gegen die Sitten oder den Glauben "Milde" und "Verständnis" anmahnen, für "Exkommunikationen" aus, wenn Menschen nach ihren Worten die "alte Kirche" noch nicht überwunden haben. "Katholisch" sein definiert sich nach Ansicht von solchen Theologen nicht mehr daran, dass man am apostolischen Glauben und der apostolischen Praxis der Kirche festhält, sondern daran, dass man einer neuen, menschlicher "Weisheit" entsprungenen, "Kirche" anhängen solle, die möglichst keine absoluten Wahrheiten anerkennt und schon gar nicht mehr missioniert!
Dies ist schon ein Standardsatz unter Bischöfen und Theologen, dass man "niemanden bekehren wolle", wie es auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Zollitsch in einer Diskussion bei Maybrit Illner am 5.2.2009 wieder formulierte. Besonders das Volk Israel will man von der "Mission" ausnehmen, bekannt sind die Aussagen dazu von Lehmann, Kasper usw. (vgl. Beiträge 65 und 67: „Keine Umkehr und keine Taufe mehr notwendig?“, Beiträge 68: Grenze der Mission?).
Der Hamburger Weihbischof Heinz-Jochen Jaschke, der in der Sendung busch@n-tv am 5. 2. 2009 einige von Journalisten im Hinblick auf traditionstreue Katholiken formulierte Schlagworte wie "frauenfeindlich" oder "sexfeindlich" übernahm, wand sich dann plötzlich bei der Frage, ob denn nicht auch auf ihn als Vertreter der Kirche die gleichen Vorwürfe anwendbar wären. Da versuchte er klarzumachen, dass z. B. Sex vor der Ehe bei der Bereitschaft zu Treue anders zu werten sei, oder dass Kondome bei einem "ganzheitlichen" Ansatz neben dem Aufruf zur Enthaltsamkeit u.ä. auch ihren Platz hätten usw.
Schon an der Art der Kriterien ("homo-feindlich" usw.) in solchen Diskussionen merkt man, wie wenig hier von wahren christlichen Grundsätzen noch etwas zu finden ist. Viele ähnliche Beispiele könnte man anführen bis hin zu Hans Küng, der nicht einmal die Gottheit Christi klar anerkennt und der Kirche dauernd fehlende Meinungsfreiheit und frühere Exkommunikationen von Irrlehrern vorwirft, aber hier wiederholt "Exkommunikation" fordert.
Wo man sich von der "alten" Kirche lossagen soll oder will, da fehlt plötzlich die Verbindung zu Christus und damit die Grundlage für Klarheit und Vernunft. Alle modernen Kritiker der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche aller Zeiten anerkennen für sich selbst kaum Dogmen oder eindeutige sittliche Verpflichtungen mehr an. Das einzige wichtige "Dogma" für sie besteht darin, sich dem eindeutigen Dogma der Kirche zu widersetzen und sich dem Zeitgeist anzupassen.
Diese "Bischöfe" oder "Theologen" entfernen sich willkürlich von Glaube und Lehre der Kirche, sind sich aber auffallend darin einig, dass für glaubenstreue Katholiken kein Platz in ihrer angeblich "offenen" oder liberalen Konzeption von "katholischer Kirche" sei! Das Kriterium für den geforderten Kirchenausschluss ist bei ihnen nicht mehr der apostolische und katholische Glaube, sondern bloße (Kirchen) Politik oder Willkür.
Das Interview mit Bischof Williamson war nun eine ideale Gelegenheit, die Problematik der kirchlichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte in einem fragwürdigen Licht darzustellen. Es wurden auffallender Weise möglichst alle Katholiken, die aus Sorge um das Evangelium, um die Gerechtigkeit und um die Wahrheit den kaum zu leugnenden Fehlentwicklungen entgegentreten, die sich für die Ehrfurcht vor Gott, gegen die Verfälschung von Glaube, Hoffnung und Liebe einsetzen, sich um eine Reform der Kirche in Treue zum apostolischen und überzeitlich-katholischen Glauben der Kirche bemühen und auch für die Verkündigung der Frohbotschaft unter Juden und Heiden einstehen, mit Vorurteilen überhäuft.
Es wird eine allgemeine, bei näherer Betrachtung hysterisch anmutende, "Aufregung" zelebriert. Eine wirklich inhaltliche Auseinandersetzung findet nicht - und wenn, dann nur in sehr verzerrender Weise oder in Form von bloßen Schlagworten - statt, wobei alle glaubenstreuen Katholiken möglichst mit Begriffen wie "Judenhasser, Nazifreund, Leugner des Massenmordes an Juden" usw. in Verbindung gebracht werden sollen (was bei ehrlicher Betrachtung selbst aus den Williamson-Aussagen nicht herausgelesen werden kann). Anstatt die beanstandeten Aussagen sachlich zu erörtern oder zu widerlegen, was bei einer mehrwöchigen medialen Dauerbehandlung des Themas mehr als geboten erscheint und wodurch die Diskussion schnell in sachlicher Weise beendet werden könnte, werden Vorverurteilungen möglichst auf alle glaubenstreuen Katholiken übertragen, die ja mit der katholischen Kirche aller Zeiten gerade selbst Hass, Verleumdung und Verletzung der Liebe in der Nachfolge Christi entgegentreten und dafür gerne Unrecht erdulden, - heute ebenso wie sie oder ihre Vorfahren es damals im so genannten "Dritten Reich" auch getan haben, als man mit ähnlichen Methoden eine hysterische Stimmung gegen Christen und Juden erzeugt hat.
Die Unwahrhaftigkeit, ja Boshaftigkeit, in der Stimmungsmache ist die wahre Gefahr für Kirche und Gesellschaft. Katholiken werden auf die Anklagebank gesetzt, die - mit Pius XI. und Pius XII.! - und in Treue zum christlichen Liebesgebot jede Form von Rassismus entschieden zurückweisen, der Darwinismus hingegen, der den eigentlichen Unterbau für den modernen Rassismus geliefert hat, wird in ideologischer Weise gefeiert, ebenfalls die sogenannte "historisch - kritische" Methode der Schriftauslegung, die letztlich ebenfalls antijüdischer Voreingenommenheit entsprungen ist, indem sie - weder historisch noch kritisch - biblisch-jüdischen Schriftstellern nicht jenes Maß an Vertrauen entgegenbringt, das sie jedem heidnischen Autor "unkritisch" und sofort zugesteht.
Hier gäbe es für "moderne" "Theologen" jede Menge an Reflexionsbedarf, anstatt die katholischen Kirche und den christlichen Glauben mit falschen Anklagen und Unterstellungen anzugreifen!
Trotzdem hatte diese Aufgeregtheit auch ihren übernatürlichen Sinn: Der liebe Gott hat in Seiner Vorsehung diesen Sturm unserer Tage zugelassen, damit sich die Herzen der Menschen offenbaren. Damit auch sichtbar wird, dass die Einheit der Kirche nicht am lieben Gott vorbei mit rein verwaltungstechnischen Maßnahmen geschaffen werden kann.
Es muss erst die wahre Einheit im apostolischen Glauben, in der wahren christlichen Hoffnung und in der übernatürlichen Liebe Christi wirklich gelebt werden. Alle Katholiken müssen sich nun entscheiden, wie sie wirklich zur apostolischen Grundlage der Einheit der Kirche stehen.
Es genügen nicht Worte, z.B. sich einfach darauf zu einigen, alle Konzilien im Licht der Tradition der Kirche anzunehmen (was letztlich ja für Katholiken selbstverständlich ist). Man muss sich auch entscheiden, wie man zu dieser Tradition der Kirche steht, ob man die apostolische und katholische Kirche wirklich im Heiligen Geiste Christi liebt, oder in einem anderen Geist.
So ist das Gepolter, das heutzutage veranstaltet wird, für alle Menschen guten Willens auch eine Gnade. In einer solchen Situation muss man sich nämlich bei gutem Willen wieder vermehrt damit auseinander setzen, wie man selbst die Treue zu Christus und zur Wahrheit - und damit zur apostolischen und katholischen Kirche lebt.
Die wahre Kirche oder die wahre Stellvertretung Jesu Christi ist nur dort, wo man nicht Wahres und Falsches miteinander vermischt. Das müssen sich sowohl Rom als auch die Priesterbruderschaft Pius X. sagen lassen!
Nur wenn man diese Grundwahrheiten nicht ausblendet, kann man den klaren Blick für das eine notwendige, für die Liebe Christi, wirklich behalten. In dieser Liebe Christi aber ist die Einheit Seines Leibes selbst gegeben!
Die Liebe Christi, um die wir immer inständig beten sollen, lässt auch alle anderen scheinbaren "Probleme" im richtigen Licht sehen. Es ist kein "Antijudaismus" oder eine "Zerstörung anderer Kulturen" (wie uns in der Polemik unserer Tage immer wieder suggeriert wird), wenn wir Juden wie Heiden Christus, den Erlöser, verkünden.
Im Gegenteil: Es wäre höchst lieblos und unverantwortlich, wollte man die Sendung der Kirche begrenzen, wie es heute oft geschieht, in dem man sich damit begnügt, einfach "jeden nach seiner Facon selig werden" zu lassen, was ja schon nach rein menschlicher Einsicht gar nicht möglich ist, weil der Mensch zur wahren Erfüllung und Seligkeit die übernatürliche, ewige Wahrheit selbst braucht und dauernd sucht. Der Mensch braucht die Liebe, aber er kann sie hier auf Erden nur in der Liebe Gottes in ihrer wahren Gestalt finden! Und die Liebe Gottes kann er nur dort finden, wo Gott selbst Mensch geworden ist und sich selbst für uns in der äußersten Not hingegeben hat: in der Liebe Jesu Christi!
Andere behaupten heute, nur die Heiden, nicht aber das Volk Israel, brauchen das Evangelium! Verkörpert diese Haltung wirklich die wahre Liebe? Ist Jesus denn nicht zuallererst zu Seinem auserwählten Volk gekommen, ist Er denn nur ein Messias für die Heiden, nicht der Messias für Sein Volk Israel? Ist denn nicht Jesus Christus der Einzige, der Israel gerade heute die Erfüllung Seiner Sehnsüchte und das Licht des wahren Friedens in der Wahrheit schenken kann?
Wer aus menschlichen "Rücksichten" auf die Verkündigung Jesu als des wahren, Mensch gewordenen Gottes und Erlösers verzichtet, der ist in Wirklichkeit rücksichtslos gegenüber den Menschen, denen er die Verkündigung der Liebe Gottes vorenthält und sie der menschlichen Eitelkeit und Verblendung verfallen lässt!
Die Einheit mit Gott und in Gott die Einheit unter den Menschen ist nur in der Gnade und Liebe Jesu Christi möglich. Diese Einheit ist trotz aller menschlichen Schwachheit zeichenhaft für alle Welt in der katholischen Einheit der Kirche Gottes sichtbar und erfahrbar.
Um diese Einheit und ihre Entfaltung in der Gnade Christi müssen alle Glieder der Kirche aber auch täglich ringen und beten. Sie ist zwar ein Geschenk, aber wie bei allen Gaben Gottes auch etwas, an dessen Erwerb der Mensch selbst mitwirken darf und soll!
Es ist ein großes Geheimnis: Der Mensch kann die Einheit der Kirche verdunkeln und gefährden, ja er kann sich selbst von der Einheit der Kirche lossagen. Jedoch er kann sie nicht zerstören. Denn Jesus lebt in und mit Seiner Kirche und teilt ihr Sein eigenes göttliches Leben mit.
Es gab schon Zeiten, da die Einheit der Kirche - durch die fehlende Einheit in der Regierung, wie beim großen abendländischen Schisma, als es mehrere "Päpste" gab, auf den ersten Blick nur schwer sichtbar war, da "in der damaligen traurigen Zeit zwar die Christenheit materiell in zwei, ja drei Teile zerfiel, dagegen formell an der Einheit durchaus gläubig festhielt und daher diese Einheit auch sofort vorhanden war, als die Vorfrage der Echtheit der päpstlichen Person entschieden wurde" (Bartmann, Bernhard, Lehrbuch der Dogmatik, 8. Aufl., 2. Band, Freiburg i. Br. 1932, S. 187).
Voraussetzung der Einheit ist die Treue im Glauben, der zwar auch materiell nicht bei allen Gliedern der Kirche je nach ihren Voraussetzungen gleich vollständig sein kann, aber der sich prinzipiell in der Treue zum apostolischen Glauben und zum kirchlichen Lehramt ausdrückt.
Die Einheit im Glauben zeigt sich hier in der fides implicita (im einschlussweisen Glauben), "kraft deren sich alle Gläubigen, gelehrte wie ungelehrte, prinzipiell allen Lehren der Kirche unterwerfen, die jemals zu ihrer Kenntnis gelangen" (a.a.O., S. 185).
Wenn wir heute mit Schwierigkeiten in der Kirche zu kämpfen haben, so ist uns mit diesen wenigen Hinweisen der Weg gezeigt, den jeder Katholik in der Gnade Gottes suchen und gehen muss. Wir können die Einheit nur in der Treue zur "alten", zur apostolischen und katholischen, Kirche leben und verwirklichen (die in der Liebe Jesu zugleich immer "jung" ist!). Allein aus dieser Treue erwächst die übernatürliche Einheit und gnadenhafte Gemeinschaft der Kirche in der jeweiligen Zeit mit ihren jeweiligen Vorzügen und Schwierigkeiten!
Trotz aller Gefährdung sollen und wollen wir um diese wahre Einheit beten und versuchen, für sie in diesem Sinn zu wirken, indem wir auch jede falsche Form von "Einheit", die gegen den wahren Glauben und gegen die wahre Liebe gerichtet ist, zurückweisen!

Thomas Ehrenberger


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